Gewichtheber-Weltmeisterin aus Escherndorf

Escherndorf: Deutsche Meisterin, Europameisterin, Weltmeisterin und "Masterin des Jahres": Gewichtheberin Ulrike Zehner hat heuer alles erreicht, was es für sie bei nationalen und internationalen Wettbewerben zu holen gab.

Die 35-jährige Versicherungskauffrau Ulrike Zehner aus Escherndorf siegte bei den Europameisterschaften der Masters in Aserbaidschan und zuletzt bei den Weltmeisterschaften in der Ukraine. Die zierliche Athletin, die für den AC 82 Schweinfurt antritt und früher beim KSV Kitzingen aktiv war, bringt gerade einmal 48 Kilogramm auf die Waage. 14 Kilogramm mehr als ihr Eigengewicht lautete das stolze Ergebnis im Stoßen bei der WM, was gleichzeitig neuen deutschen Rekord bedeutete. Damit verbesserte sie ihre Bestleistung von der EM um ein Kilo. Im Zweikampf brachte sie es auf 105 Kilogramm, davon 43 im Reißen.
"Wenn mich früher einer gefragt hätte, ob ich Gewichtheberin werden möchte, den hätte ich für total durchgeknallt gehalten." Zu diesem Sport kam Ulrike Zehner durch einen Zufall. Beim Feriensportprogramm der Stadt Schweinfurt bekam sie bei einem Schnuppertraining Einblicke in die Sportart. "Fitness und Kraftsport" lautete das Motto der Aktion vor exakt 20 Jahren. "Das hat mir sofort gefallen und so bin ich daran hängen geblieben", sagt die Athletin. Anfangs trainierte sie zwei Mal pro Woche.

Kraftmaschine: Bis zu fünf Mal in der Woche trainiert Ulrike Zehner vor wichtigen Wettkämpfen. Dabei stemmt sie nicht nur Gewichte, sondern holt sich auch an anderen Geräten Kraft und Ausdauer.


Elf Jahre beim KSV Kitzingen

Bis 1996 war sie beim AC Schweinfurt, danach elf Jahre beim KSV Kitzingen. Während ihrer beruflichen Ausbildung legte sie beim Gewichtheben eine Pause ein. Wenn heute Wettkämpfe bevorstehen, steigert sie die Trainingseinheiten auf bis zu fünf Mal wöchentlich. Klar, dass da zwischen dem Wohnort Escherndorf und dem Trainingsraum in Schweinfurt unzählige Kilometer auf der Strecke bleiben und damit auch viel Zeit.



Zug um Zug steigerte sie ihre Erfolge. Zwischen 2001 und 2011 war sie sechs Mal Deutsche Meisterin. 2008 holte sie sich den Alpen-Cup, zwei Mal wurde sie in den letzten vier Jahren Sportlerin des Jahres in Schweinfurt.

Bei der WM lieferte sie sich ein spannendes Duell mit der Zweitplatzierten Adrienn Kasza (Ungarn), die 93 Kilo in die Höhe stemmte. An der WM in Lviv (Lemberg) nahmen über 60 Frauen teil.

Die gebürtige Schweinfurterin ging in der Altersklasse 1 "bis 48 kg" an den Start. Vom Bundesverband der deutschen Gewichtheber wurde sie aufgrund ihrer überragenden Ergebnisse zur "Masterin des Jahres 2012" gekürt. Es war meine erste Weltmeisterschaft und ich war schon ziemlich nervös", erinnert Zehner an ihren Auftritt Anfang September in der Ukraine. Verschiebungen im Zeitplan hätten sie nicht gerade beruhigt, sondern noch aufgeregter gemacht. "Ich war über eine Stunde später dran als erwartet." Für die Gewichtheberin war das aber auch der einzige "negative Aufreger" in dem osteuropäischen Land. "Ansonsten war die Organisation sehr gut."

Erfolgreicher Versuch: In Ulrike Zehners zierlichem Körper steckt ein echtes Kraftpaket.


Zehner will den Deutschen Rekord

Im Reißen lief es zunächst nicht gut für die Escherndorferin. "Ich war da nicht zufrieden, weil ich das Anfangsgewicht von 40 Kilogramm im ersten Versuch nicht schaffte." Im weiteren Verlauf steigerte sie sich, aber zufrieden war Zehner mit den erzielten 43 Kilogramm nicht. "Ich habe schon vier Kilo mehr geschafft." Beim Stoßen hatte sie ein klares Ziel. "Ich wollte deutschen Rekord erzielen", erzählt die Athletin. Mit 62 Kilogramm gelang ihr die Bestmarke eindrucksvoll. "Ich hatte drei gültige Versuche im Stoßen", überwog bei der Weltmeisterin am Ende doch die Freude über das Gesamtergebnis.

Wie bei allen anderen Wettkämpfen auch, war sie zusammen mit ihrem Mann Torsten, der als Gewichtheber für den KSV Kitzingen antritt, nach Lemberg gereist.

Während Ulrike am zweiten Wettkampftag antrat, war ihr Ehemann fast eine Woche später an der Reihe. Er wurde in der Gewichtsklasse bis 94 kg und in der Altersgruppe M35 Fünfter mit 224 Kilogramm im Zweikampf.

Drei Goldmedaillen hat Ulrike Zehner in diesem Jahr auf nationaler und internationaler Ebene geholt. Sie hat aber nur zwei Hände frei.


Urlaub und Wettkämpfe

Seine Wettkämpfe verbindet das Gewichtheber-Ehepaar immer mit seinem Urlaub. "In Aserbaidschan konnten wir sogar ein paar Tage am Strand faulenzen", erzählt Ulrike Zehner. Dorthin wurde geflogen, in die Ukraine ging es mit dem eigenen Auto.

Finanzielle Unterstützung erhalten die beiden Akteure bei ihren Reisen nicht. "Das ist alles Privatvergnügen", sagt sie mit einem Lächeln im Gesicht. "Und dass mein Mann auch ein Gewichtheber ist, macht alles viel einfacher." Oft motiviere man sich gegenseitig.

"Ich muss auf die Ernährung sehr achten", sagt die jetzige Weltmeisterin. Schließlich will sie bei großen Kämpfen in der Gewichtsklasse bis 48 kg antreten und das ist nicht immer einfach. "Da muss ich schon diszipliniert sein." Eigentlich isst sie gerne Pizza, Pasta und Süßigkeiten. Mehrere Wochen vor Titelkämpfen sind diese Leckereien für sie tabu. Von Verletzungen blieb die Gewichtheberin in den letzten 20 Jahren verschont. "Wenn man drauf achtet, dass man technisch sauber arbeitet, dann ist die Verletzungsgefahr beim Gewichtheben relativ gering", so Zehner.

Yoga neues Hobby

Hobbys hat sie aus Zeitmangel sonst kaum. Mit Yoga hat sie aktuell Neuland betreten. "Damit möchte ich besser entspannen und etwas für die allgemeine Beweglichkeit tun."

Vielleicht ist die Kombination aus Kraftübungen und Yoga die Grundlage für neue Rekorde auf internationaler Ebene. "Bisher habe ich ja īnurī Rekorde auf der Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Ein Europa-Rekord wäre natürlich schon cool."




Quelle: DIE KITZINGER - 11. Oktober 2012
geschrieben von Peter Pfannes
Fotos: Peter Pfannes