Porträt: Ulrike Zehner

Die stärkste Frau von Schweinfurt
Gewichtheben statt Ballett: Die zierliche Ulrike Zehner reiht Erfolg an Erfolg

Gewichtheben – ein Sport, bei dem man normalerweise breitschultrige Muskelprotze a´la Arnold Schwarzenegger vor Augen hat. Diese Frau hier ist jedoch klein, zierlich und eher von der Statur einer Turnerin oder Tänzerin, und doch ist sie eine der besten Gewichtheberinnen Deutschlands. Selbst nur 48 kg leicht, holte sich Ulrike Zehner am ersten Adventswochenende mit 54 kg im Reißen und 66 kg im Stoßen die deutsche Vizemeisterschaft in ihrer Gewichtsklasse.


Wesentlich mehr als ihr eigenes Körpergewicht bringt Ulrike Zehner zur Hochstrecke. Bei den letzten deutschen Meisterschaften erntete sie zweite Plätze.

Auf die Frage, wie sie denn nun ausgerechnet aufs Gewichtheben gekommen ist, antwortet die 30-Jährige augenzwinkernd, dass sie zu Beginn ihrer sportlichen Karriere wirklich einmal eine tänzerische Laufbahn angefangen hatte: „Als ich zehn Jahre alt war, lief im Fernsehen gerade die erfolgreiche Weihnachtsserie 'Anna', in der sich alles um Ballett drehte. Wie viele Mädchen damals eiferte ich der erfolgreichen Tänzerin aus der Serie nach und begeisterte mich für Ballettstunden.“

Bald aber stellte sie fest, dass Plié und Tutu für sie doch nicht das Richtige waren und tauschte sie ein gegen Wurfübungen und Kampfsportanzug in der Judoabteilung der TG 48 Schweinfurt. Da zum Judo auch viel Krafttraining gehört, nahm die damals 15-jährige Schülerin in den Sommerferien das Fitness- und Kraftsport-Ferienspaß-Angebot des Athleten-Club Schweinfurt gern an.

„Hätten die damals irgendetwas von Gewichtheben ins Programm geschrieben, weiß ich nicht, ob ich da hingegangen wäre, denn welche Frau hat damals schon an Gewichtheben gedacht?“, philosophiert die Sportlerin über den eher zufälligen Beginn ihrer Kraftsport-Karriere. Aber da gab es schon die beiden Töchter von Vorstand Hermann Meyer, die für den Athleten-Club Gewicht hoben, ihr gefiel die familiäre Atmosphäre, und Zehner blieb.

Anfangs belächelt worden

„Anfangs wurde man als Frau schon etwas belächelt“, erinnert sich die Schweinfurterin an ihre ersten Wettkämpfe vor 15 Jahren, „da waren bei der deutschen Meisterschaft gerade einmal fünf Teilnehmerinnen dabei, dieses Jahr waren es 30.“ Viele Frauen haben sich in der Zwischenzeit in der einstigen Männerdomäne etabliert. Interessant ist, dass man im Liga-Betrieb mittlerweile viele gemischte Mannschaften antrifft. „Bei der Wertung wird das gehobene Gewicht aufs jeweilige Leistungsvermögen umgerechnet. Damit sind gute Frauen inzwischen Gold wert, gerade in der ersten Bundesliga gibt es kaum noch Wettkämpfe ohne weibliche Beteiligung,“ erklärt AC-Jugendleiter Michael Strauch.

So freuen sich auch die Schweinfurter, dass Zehner nach zehn Jahren beim KSV Kitzingen seit letztem Sommer wieder für die Athleten der Kugellagerstadt antritt. „Das Umfeld hier gefällt mir einfach besser“, begründet sie ihre Wechsel-Entscheidung – auch wenn es jetzt an den Wettkampftagen der Frankenliga zu der kuriosen Situation kommt, dass sie mit ihrem Mann Torsten (ebenfalls Gewichtheber) zwar gemeinsam zu den Begegnungen fährt, ihm in der Halle aber als sportliche Konkurrenz gegenübersteht, denn er startet nach wie vor für Kitzingen.

Als wären der Job als Versicherungskauffrau und dreimal die Woche Training nicht schon genug, findet man Zehner auch noch ein- bis zweimal wöchentlich im Schwimmbad: Seit einem halben Jahr hat sie Schwimmen als ideale Ergänzung entdeckt, und zwar nicht nur als Ausgleichssport. Schwimmen hat ihr geholfen, in die leichteste Gewichtsklasse der Frauen (bis 48 kg) zurück zu kommen.


Drei Mal die Woche Training: Ulrike Zehner am Butterfly.

15 Jahre Gewichtheben, das bedeutet bisher fünf deutsche Meistertitel in der Jugend/Junioren- und einen in der Seniorenklasse, dazu sieben Meisterschaften im bayerischen Junioren- und acht im bayerischen Senioren-Bereich. Und ans Aufhören denkt sie lange noch nicht. Für die Zukunft wünscht sich das Power-Leichtgewicht vor allem mehr weibliche Mitstreiterinnen für die bisher drei aktiven Gewichtheberinnen des ACS. „Man muss sich einfach nur mal trauen, es auszuprobieren – ich hätte es mir vorher auch nie als Traumsportart vorstellen können“, macht sie Interessentinnen Mut.

Bis Ende nächsten Jahres stehen dem Athleten-Club noch die Räume im alten Krankenhaus in der Robert-Koch-Straße zur Verfügung. Da das aber abgerissen werden soll, sind die Kraftsportler im Moment noch auf der Suche nach einer geeigneten neuen Bleibe, wollen aber trotzdem auch nächsten Sommer wieder Ferienspaß-Aktionen anbieten – und wer weiß, vielleicht entdeckt ja wieder ein neues Talent das Gewichtheben als Lieblingssport für ganz normale Menschen . . .



Quelle: Main-Post - 21. Dezember 2007
geschrieben von Anja Stemmer - Sportredaktion des Schweinfurter Tagblatts
Foto: Wolfgang Müller